Rosarote Brille für Spinnen?
Wenn wir die Welt in Rosa sehen, steckt meist die Liebe dahinter. Ganz ähnlich ist es bei Spinnen. Jedenfalls bei Springspinnen der Art Habronattus pyrrithrix. Was die Spinne fühlt, können wir natürlich nicht wissen. Doch spielen Rot- und Orangetöne in der Musterung der Männchen bei der Werbung um das Weibchen eine Rolle. Das Besondere daran: Eigentlich dürften diese gar nicht gesehen werden.
So sehen Spinnen
Denn eigentlich sehen Spinnen dichromatisch. Das bedeutet, sie haben nur zwei Zapfentypen. Dabei handelt es sich um Typen von Photorezeptoren, die auf verschiedene Farbspektren spezialisiert sind. Das haben die Achtbeiner mit den meisten Wirbeltieren gemeinsam. Allein der Mensch und seine nächsten Verwandten, die Primaten, sind trichromatisch.
Das bedeutet nicht, dass Spinnen generell schlechter sehen als wir. Tatsächlich erreichen sie im Verhältnis zu ihrer Körpergröße im Tierreich die größte Auflösung. Mit den acht Augen, über die die meisten Arten verfügen, gelingt ihnen zudem so etwas wie ein Rundumblick. Die richtige Anordnung macht`s: Die zwei Hauptaugen liegen in der Mitte, jeweils drei Nebenaugen seitlich davon. So koordinieren Springspinnen zum Beispiel ihre beeindruckenden Sprünge.
Allerdings verfügen die oft nur wenige Zentimeter großen Tiere natürlich über ein nur kleines Gesichtsfeld. Statt den betrachteten Ausschnitt im Ganzen wahrzunehmen, müssen sie ihn Stück für Stück "scannen", um ein vollständiges Farbbild zu erhalten. Und dabei passiert bei Habronattus pyrrithrix etwas Erstaunliches.
Werbung ins Leere?
Die Hauptaugen der Spinnen verfügen über Rezeptoren für den Grün- und UV-Bereich. Damit lassen sich langwellige Farben wie aus dem Rotbereich eigentlich nicht unterscheiden. Von dem beeindruckenden Muster der Männchen aus Grün, Beige, Orange und Rot dürften die Weibchen von Habronattus pyrrithrix also kaum etwas sehen. Der Erfolg der Werbung sagt aber etwas anderes. Wie also sieht die Spinne, was ihre Rezeptoren nicht erkennen?
Die Antwort auf diese Frage haben Forscher bei der Untersuchung der Netzhautschichten in den Hauptaugen gefunden. Und sind auf lichtempfindliche Pigmente gestoßen. Diese kannte man bereits von Vögeln und Schmetterlingen. Sie in so ganz anderen Augen zu finden, war eine Überraschung. Eine, die erklärt, warum die Werbung der Männchen nicht ins Leere läuft.
Denn die Pigmente verschieben die Wellenlänge des von den Rezeptoren wahrgenommenen Lichts von 530 Nanometer auf 626 Nanometer. Was vorher Gelb-Grün aussieht, erscheint als Rot. Weil dieser Effekt an das erinnert, was passiert, wenn wir eine Sonnenbrille aufsetzen, tauften die Forscher ihre Entdeckung Sonnenbrillen-Pigment. Dank dieses Pigments öffnet sich für die Spinnen zumindest auf einem kleinen Abschnitt der Netzhaut ein dritter Farbkanal.
Die Spinne mit der Brille
Mit diesem können sie offenbar nicht nur die bunte Musterung der Männchen wahrnehmen. Möglicherweise bringt das trichromatische Sehen auch einen Vorteil bei der Jagd. Ob die eher bei gelblich oder rötlich gefärbter Beute erfolgreich ist, muss noch untersucht werden. Zweifelsfrei festgestellt wurde hingegen bereits, dass auch andere Habronattus-Arten über das Sonnenbrillen-Pigment verfügen, entferntere Verwandte aber nicht. Entstanden ist diese Besonderheit vermutlich im Zuge der Evolution: Je mehr vom Muster erkannt wurde, desto erfolgreicher die Werbung. So pflanzten sich vor allem Tiere mit dem trichromatischen Sehen fort. Sollte es sich auch als Vorteil beim Erkennen von Beute herausstellen, wäre hier noch eine Erklärung gegeben.
Bis die Forschung noch mehr Erstaunliches aufdeckt, musst Du davon ausgehen, dass sich Deine Spinne im Terrarium eher nicht von Rot beeindrucken lässt. Dass dies ihrem Jagdgeschick und dem Erfolg der Paarungszeit keinen Abbruch tut, macht einen Teil der Faszination aus. Einige beliebte Spinnenarten zur Haltung im Terrarium findest Du in unseren Tierporträts. Besonders beliebt sind etwa die Mexikanische Rotknievogelspinne oder die Martinique-Baumvogelspinne. Allgemeine Informationen zur Haltung von Vogelspinnen im Terrarium findest Du hier.