Klimawandel macht dumm
Jeder Terrarianer weiß: Auf das richtige Klima kommt es an. Zu heiß, zu kühl, zu feucht, zu trocken - stimmen die Werte nicht, leiden die Tiere. Im schlimmsten Fall werden sie krank und sterben. Dass die globale Erwärmung nicht nur für Reptilien, sondern für alles Leben auf der Welt eine Bedrohung ist, ist allgemein bekannt. Viele Reptilien trifft sie aber besonders hart. Denn schon jetzt wirken sich die steigenden Temperaturen auf die Populationen vieler Arten aus. Nicht nur wird es zunehmend schwierig für die Tiere, zu überleben. Insbesondere auf die Gelege und den Fortbestand der Arten haben steigende Temperaturen erhebliche, zum Teil unerwartete Auswirkungen.
Temperaturabhängige Geschlechtsdetermination
Dass bei manchen Reptilien die Temperatur über das Geschlecht entscheidet, ist allgemein bekannt. So schlüpfen bei Temperaturen bis zu 30 °C weibliche Krokodile, zwischen 30 und 34 °C Weibchen und Männchen, ab 34 °C nur noch Männchen. Bei Schildkröten ist es gerade umgekehrt: Bei niedrigeren Temperaturen schlüpfen Männchen, bei höheren Temperaturen schlüpfen Weibchen. Das kann man sich bei der Zucht zunutze machen und durch die Temperatur im Inkubator das Geschlecht der Nachzuchten steuern.
Geschlechtsumwandlung durch Hitze
An Bartagamen hat man nun eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Obwohl das Geschlecht der Jungtiere durch die Chromosomen vorgegeben ist, nehmen die Temperaturen bei der Zeitigung noch Einfluss. So werden mit steigenden Temperaturen aus genetischen Männchen anatomische Weibchen! Diese Weibchen können sogar Eier legen. Doch bei ihren Jungen spielen die Chromosomen dann keine Rolle mehr, das Geschlecht wird nur noch von der Temperatur bei der Zeitigung bestimmt. Verantwortlich für diese Geschlechtsumwandlung durch Hitze ist ein Gendefekt, der auch für Schildkröten und Krokodile angenommen werden darf und damit schon am Ursprung der Entwicklung dieser Arten gestanden haben dürfte. Der uralte Mechanismus wird allerdings in neuester Zeit zum Problem. Mit der globalen Erwärmung laufen Bartagamen Gefahr, das weibliche W-Chromosom völlig zu verlieren. Und schon jetzt gibt es mehr weibliche Schildkröten als männliche. Setzt sich der Trend fort, steht der Fortbestand dieser Arten in Frage.
Temperatur hat Einfluss auf Lernverhalten
Eine Bedrohung für Reptilien stellt die globale Erwärmung noch in weniger unmittelbarer Form dar. Dass große Temperaturen bei der Zeitigung sich auf Morphologie und Verhalten der Jungen auswirken, wurde schon mehrfach beobachtet. Relativ neu ist aber die Erkenntnis, dass sie auch das Lernverhalten beeinflussen. In einer Studie wurden trächtige australische Samtgeckos gefangen. Sie legten ihre durchschnittlich zwei Eier im Labor. Eines davon wurde bei Temperaturen ausgebrütet, die zur selben Zeit auch in der Natur zu erwarten waren, das andere bei deutlich höheren Temperaturen. Die geschlüpften Jungtiere wurden 5 Tage lang zweimal täglich einem Versuch unterzogen. Und zwar wurden sie in ein Y-Labyrinth gesetzt, die Schwanzspitze mit einem Pinsel berührt. Auf diesen "Angriff" hin flohen die Tiere und suchten nach einem Unterschlupf, der bei jedem Durchgang im selben Arm des Labyrinths zur Verfügung stand. Die gute Nachricht: Alle Geckos lernten innerhalb der fünf Tage, den Unterschlupf zu finden. Die Besonderheit: Während der ersten Wiederholungen gelang dies den Echsen, die unter normalen Temperaturen schlüpften, schneller als denen, die mit höheren Temperaturen gezeitigt wurden. Der Unterschied lag im Bereich weniger Sekunden. Nicht spektakulär, aber auf der Flucht vor einem Beutegreifer unter Umständen der Unterschied zwischen Leben und Tod. Besonders bedenklich ist dabei, dass die im Versuch höhere Zeitigungstemperatur bereits 2050 aufgrund des Klimawandels die im natürlichen Habitat der Geckos zu erwartende Normaltemperatur ist. Das Ergebnis des Versuchs gibt Grund zur Sorge, wie sich das auf die Überlebenschancen der unter diesen Bedingungen gezeugten Nachkommen und die Entwicklung der Population auswirken wird.