Europäische Sumpfschildkröte: Haltung im Aquaterrarium
Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) ist wie der Name schon sagt in Europa heimisch. Allerdings ist die Art stark gefährdet und steht unter strengem Schutz. In Deutschland kommt sie so gut wie gar nicht mehr im natürlichen Habitat an Bächen, Teichen und Seen vor, nur noch im Osten der Republik kann man sie vereinzelt antreffen. Wer sich für die Haltung einer Europäischen Sumpfschildkröte entscheidet, tut damit also auch etwas für den Arterhalt. Wenn Du über einen großen Garten verfügst, kannst Du die Tiere auch gut im Teich halten. Angesichts eines Verbreitungsgebietes von Nordafrika bis zum Aralsee solltest Du dann am besten auf Exemplare zurückgreifen, in deren Ursprungsland ähnliche klimatische Verhältnisse herrschen wie bei uns. Auch ohne Teich musst Du aber auf die Beobachtung der faszinierenden Reptilien nicht verzichten. Denn im Aquaterrarium fühlen sich Europäische Sumpfschildkröten ebenfalls wohl, wenn man ein paar Dinge beachtet.
Aquaterrarium für Europäische Sumpfschildkröte: artgerechte Haltung
Für Jungtiere ist das Aquaterrarium sogar die bessere Wahl, da man hier die Bedingungen und auch die Entwicklung der Kleinen gut kontrollieren kann. Doch auch adulten Tieren kann man hier einen artgerechten Lebensraum schaffen. Ein bisschen Platz muss natürlich schon zur Verfügung stehen.
Mindestmaße
Ausschlaggebend dafür, wie groß das Aquaterrarium werden muss, sind zum einen die Panzerlänge von 15-23 cm und die Anzahl der gehaltenen Tiere. Europäische Sumpfschildkröten sollte man im Paar oder in einer kleinen Gruppe halten. Am besten eignet sich in dem Fall eine Haremsgruppe von einem Männchen mit drei Weibchen etwa, da die männlichen Tiere sehr territorial reagieren und ein weiteres Männchen Ausweichmöglichkeiten braucht, was sogar bei Freilandhaltung idealerweise in Form eines zweiten Teiches zu Buche schlägt.
Die Mindestgröße für das Aquaterrarium eines Paares Europäischer Sumpfschildkröten wird nach folgender Faustformel errechnet:
- Länge des Wasserteils: 5 x die Panzerlänge des größten Tieres
- Breite des Wasserteils: die Hälfte der Länge des Wasserteils
Für ein bis drei durchschnittlich große Tiere solltest Du demnach mit einem Terrarium von 150 x 60 x 50 cm auskommen. Größer ist natürlich immer besser.
Der Wasserstand sollte doppelt so hoch sein, wie der Panzer des größten Tieres breit ist.
Neben einem Wasserteil, in dem sich die Schildkröten die meiste Zeit aufhalten, muss aber auch ein Landteil zur Verfügung gestellt werden, den die Tiere gerne nutzen, um herumzuwandern, sich zu sonnen oder auch mal einzugraben. Der Landteil darf mit ein Drittel der Terrariumlänge etwas kleiner ausfallen als der Wasserteil mit zwei Drittel der Terrariumlänge. Die Maße gelten wie gesagt für ein Paar Europäischer Sumpfschildkröten, für jedes weitere Tier sind 10 % an Fläche hinzuzurechnen, ab dem fünften Tier sogar 20 %.
Einrichtung
Kies oder Sand eignen sich gut als Bodengrund für den Wasserteil. Echte Bepflanzung hilft unter Umständen bei der Wasserqualität, wird aber den gefräßigen Schildkröten als Futter dienen. Das passiert Dir mit künstlichen Pflanzen nicht. Du kannst solche stabil auf dem Boden verankern und auch künstliche Schwimmpflanzen auf der Wasseroberfläche treiben lassen. Die Schildkröten nutzen gerade solche Pflanzen nicht nur als Versteck, sondern auch zum Sonnen oder für die Jagd. Natürlich kannst Du mit Höhlen und Tunneln noch weitere Versteckmöglichkeiten anbieten. Wichtig ist in dem Fall, dass alle Tiere problemlos rein und auch wieder raus können. Also auf die Größe der Öffnung im Vergleich zur Panzerlänge achten! Sonst besteht Gefahr, dass einer Deiner Zöglinge sich verklemmt und ertrinkt. Darüber hinaus müssen natürlich alle Einrichtungsgegenstände so festgemacht werden, dass sie nicht umfallen und ein Tier verletzen können. Das gilt auch für Hölzer und Wurzeln, die aus dem Wasser ragend einen zusätzlichen Sonnenplatz liefern. Natürliche Materialien wie Holz solltest Du übrigens erst in einer Wanne voll Wasser ausbluten lassen, bevor Du sie ins Terrarium überführst. Die braune Flüssigkeit, die Du danach in der Wanne findest, würde sonst die Wasserqualität stark beeinträchtigen.
Den Landteil kannst Du in ähnlicher Form mit Pflanzen, Hölzern und Verstecken gestalten. Wenn Du als Substrat Erde verwendest, können sich die Schildkröten sogar eingraben. Allerdings solltest Du dann eine feine Schicht Kies oben drauf verteilen, damit die Tiere nicht bei jedem Schritt Erde ins Wasser schleudern. Der Übergang vom Wasserteil zum Landteil muss so gestaltet sein, dass die Schildkröten leicht aus dem Wasser und auch wieder hinein kommen.
Temperatur und Beleuchtung
Die ideale Wassertemperatur liegt zwischen 25 und 27 °C, die Temperatur an Land sollte 30 °C betragen. Direkt unter dem Wärmestrahler am Sonnenplatz dürfen 35-40 °C erreicht werden, damit die Haut vollständig trocknen kann. In puncto Beleuchtung sind vor allem eine ausreichende Versorgung mit UV-Strahlung sowie ein natürlich Tag-Nacht-Rhythmus wichtig. Am besten eignen sich UV-Metalldampflampen oder flimmerfreie UV-Leuchtstoffröhren. Eine Zeitschaltuhr automatisiert den Übergang von Tag zu Nacht. Sowohl im Wasserteil als auch am Landteil muss zur Kontrolle der Temperaturen ein geeignetes Thermometer verwendet werden.
Reinigung
Generell gehört ein großer Filter in das Aquaterrarium der Europäischen Sumpfschildkröten. Zusätzlich sollte alle zwei Wochen ein Teilwasserwechsel erfolgen, bei dem ca. die Hälfte des Wassers ausgetauscht wird. Davor ist ein Nitrattest anzuwenden, die Grenzwerte liegen bei 50 mg pro Liter. Hat sich viel Mulm angesammelt, kann der mit einem Reiniger wie diesem abgesaugt werden. Auch die Einrichtungsgegenstände wie Pflanzen, Höhlen und Hölzer müssen regelmäßig gereinigt werden und sollten sich deshalb leicht entnehmen und säubern lassen. Ein Turtle Conditioner kann die Aussäuerung des Wassers durch Kotabgabe verhindern, stärkt gleichzeitig den Panzer und versorgt die Tiere mit Kalzium und Vitamin B1.
Ernährung: Das frisst die Europäische Sumpfschildkröte
In freier Natur fressen Europäische Sumpfschildkröten fast alles, was sie überwältigen können, insbesondere Wirbellose und Fisch, daneben auch Aas und natürlich pflanzliche Nahrung. Auch im Aquaterrarium darf es an Abwechslung nicht fehlen. Würmer und Insektenlarven gehören ebenso auf den Speiseplan wie Grünfutter (etwa Wasserlinsen, Wasserhyazinthen, Wassersalat oder Löwenzahn), daneben Fleisch von Geflügel, Rind oder Maus sowie Fisch, zum Beispiel Stinte, aber auch Forelle und Weißfisch, Muscheln und Guppys. Auch Trockenfutter wie Bachflohkrebse oder Schildkrötensticks sollte einmal die Woche angeboten werden. Gefüttert wird auf dem Landteil, um die Verunreinigung des Wassers minimal zu halten, doch zum Schlucken müssen die Tiere ins Wasser. Lebendfutter kommt dem Jagdtrieb der Europäischen Sumpfschildkröte entgegen und entspricht damit dem artgerechten Verhalten, auch wenn sich das natürlich nicht in jedem Fall realisieren lässt.
Winterruhe: So überwinterst Du die Europäische Sumpfschildkröte
Europäische Sumpfschildkröten stellen in der Natur ab September die Nahrungsaufnahme ein und fallen Ende Oktober in eine Winterstarre, aus der sie Ende März bis Anfang April wieder erwachen. Bei Haltung im Aquaterrarium überwinterst Du Deine Schildkröten bei 4-6 °C im Kühlschrank oder einem dunklen, kühlen Kellerraum. Vor der Überwinterung solltest Du eine Kotprobe auf Parasiten untersuchen lassen. Warum, erfährst Du hier. Alles rund um die Winterruhe von Reptilien haben wir Dir in diesem Beitrag zusammengestellt.
Fortpflanzung und Zucht der Europäischen Sumpfschildkröte
Auf die Winterstarre folgt die Paarungszeit, bei Erfolg legt das Weibchen zwischen Mai und Juni ein Gelege von 5-20 Eiern, und das bis zu dreimal im Jahr. Für die Eiablage muss ein Behälter mit einem Sand-Lehm-Gemisch zur Verfügung gestellt werden, in dem die Schildkröte eine 10 cm tiefe Grube ausheben kann. Nach der Ablage wird die Grube wieder zugeschaufelt, die Erde mit dem Bauchpanzer angedrückt. Du solltest die Eier vorsichtig ausgraben und im Inkubator zeitigen. Bei 28 bis 29,5 °C sollten nach 80-120 Tagen etwa gleich viele weibliche und männliche Tiere schlüpfen, bei Temperaturen über 30 °C erhältst Du mehr Weibchen.
Die Europäische Sumpfschildkröte ist in Europa weitestgehend vom Aussterben bedroht und daher streng geschützt. Die Tiere benötigen einen Herkunftsnachweis und sind meldepflichtig. Das mag erklären, warum sie im Handel weniger häufig anzutreffen sind als zum Beispiel ihre tropischen Verwandten. Dennoch lassen sich Züchter finden, die Nachzuchten anbieten. So hast Du die Chance, die selten gewordenen Reptilien ganz aus der Nähe zu beobachten. Am natürlichsten geht das natürlich bei Haltung im Gartenteich. Aber auch im Aquaterrarium kannst Du die Tiere erfolgreich halten und züchten. Vorsicht: Auch wenn Du mit der Pflege und Zucht von Europäischen Sumpfschildkröten zum Arterhalt beiträgst, darfst Du die Tiere auf keinen Fall auswildern. Ein Freigehe ist deshalb unbedingt ausbruchsicher zu gestalten.